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Fachpersonen haben an einer Tagung der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Liestal über Bilder und Bildwelten in Diagnostik und Therapie referiert und diskutiert. Bilder können Depressionen, Verhaltenssüchte oder andere psychische Probleme nicht nur auslösen oder fördern, sie können ebenso für die Psychotherapie und den Genesungsprozess eingesetzt werden. 

Liestal, 27. Oktober 2021

Wenn Kinder als stumme Zeugen von Verbrechen im Fernseh-Krimi ihre Erlebnisse in Zeichnungen und Malereien fassen, sind diese Szenen des Films vielleicht jene, die am stärksten der Realität entsprechen. Aber nicht nur für Kriminalisten sind Bilder hilfreich. Bildliche Vorstellungen können auch in der Psychotherapie genutzt werden, um "emotionales Erleben zu aktivieren, negative Bilder zu modifizieren und positive Bilder aufzubauen", wie es der Psychologe Dr. Fritz Renner von der Universität Freiburg i.Br. an einer Tagung der Psychiatrie Baselland in Liestal ausdrückte. Rund 80 Fachpersonen waren vor Ort, über 20 verfolgten den Anlass am Bildschirm. 

Dabei gehe es nicht darum, die Erinnerung selbst zu verändern, so Renner, sondern die emotionale Bedeutung und damit den negativen Einfluss der Bilder auf die Psyche. Am Beispiel der Depression erläuterte der Wissenschaftler, wie in der Psychotherapie (z.B. in der kognitiven Verhaltenstherapie) mit inneren Vorstellungsbildern gearbeitet wird, um negative Bilder zu modifizieren oder positive Bilder aufzubauen.

Gewaltfantasien und Gewaltausbrüche

Wie durch Bilder aus den Medien – zum Beispiel aus Kriegsgebieten – Gewaltfantasien erzeugt werden können, schilderte der Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. Michael Günter vom Klinikum Stuttgart. Er wies darauf hin, dass Gewaltfantasien normal seien in der Entwicklung eines Kindes und wie es dazu kommen kann, dass junge Menschen ihre Gewaltfantasien in die Tat umsetzen und durch die entgleisende Gewalt eine Erleichterung von ihrem psychischen Leiden erhoffen.

Trauerarbeit bei Kindern

Die Kunsttherapeutin Hanna Nöthig aus Freiburg i.Br. schilderte, wie Kinder ihre Trauer mit selbst gestalteten Bildern verarbeiten. "Ein Kind drückt beim Malen seine Seele aus", sagte sie, und die Kunsttherapie helfe dabei, "Schweres und Unfassbares aus der Stummheit" zu befreien. In eindrücklichen, teils verstörenden Bildern und skurrilen Tonfiguren aus ihrer Praxis zeigte die Therapeutin, wie Kinder den Verlust von ihnen nahestehenden Menschen zum Ausdruck bringen. Dazu gehören etwa Zeichnungen mit Leitern in den Himmel oder das Eintauchen in tiefes Wasser, welche aus der Sehnsucht der Trauernden heraus entstehen, mit den Verstorbenen in Kontakt zu treten.

Religiöse Bilder von Engeln und Dämonen

Über die Wirkung der religiösen Bilder von Engeln und Dämonen auf das Seelenleben junger Menschen referierte die Klinikseelsorgerin der Psychiatrie Baselland, PD Dr. Regine Munz. Sie sprach von Begegnungen mit Engeln und Dämonen in der Popkultur, etwa in Mystery-Serien, auf Tatoos oder als käufliche Massenware. Sie beschrieb ein Trauerritual, das sie zusammen mit einer Jugendlichen entwickelte, in dem es gelang, angstbesetzte Bilder aufzulösen.

Bilder machen süchtig – und unterstützen die Genesung

Bilder und Bildwelten können nicht nur zur Spiel-, Internet-, oder Kaufsucht führen, sie werden auch eingesetzt zur Therapie von Verhaltenssüchten. Darüber sprach Renanto Poespodihardjo, Leitender Psychologe am Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. Er plädiert dafür, vorsichtig mit Vorurteilen gegenüber „Gamern“ umzugehen und deren digitale Lebenswelten als solche zu akzeptieren und sie dort abzuholen.

Über die Anwendung von künstlicher Realität ("virtual reality") in der Psychotherapie referierte die Psychologin Prof. Dr. Christiane Eichenberg von der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien. Der Psychologe Prof. Dr. Fred Mast von der Universität Bern sprach zur Macht der Imagination ("Ist Wahrnehmung kontrollierte Halluzination?"). Spezieller Gast an der Tagung war die Psychologin Ursula Mukarker, Leiterin des Traumazentrums "Wings of Hope" in Betlehem. Sie referierte über Bildarbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Kriegserfahrung.

Kontakt

Dr. med.
Brigitte Contin-Waldvogel
Direktorin und Chefärztin
Kinder- und Jugendpsychiatrie