Skip to main content
Feedback Suche KontaktNotfall

Schritt für Schritt zu psychischer Stabilität

Die Trennung der Eltern führte bei Leonie Gaber zu einem Loyalitätskonflikt, der eines Abends zu einem heftigen Streit mit ihrer Mutter führte. Es folgte eine stationäre Behandlung. Heute hat sich ihr psychischer Zustand deutlich verbessert.

Sie sei immer schon sehr impulsiv gewesen, und habe sich sogar selbst geschlagen sagt Leonie Gaber (Name geändert). Akut wurden die psychischen Probleme der heute 20-jährigen vor ein paar Jahren, als ihr bester Freund, der ihre engste Bezugsperson war, für ein Austauschjahr nach Amerika ging. Als diese Unterstützung wegfiel, verstärkten sich ihre Autoaggressionen, da sie nun auf sich alleine gestellt war und sie die Situation mit ihren Eltern immer mehr überforderte.

Folgenschwerer Streit der Eltern

Die Eltern waren damals schon geschieden und befanden sich in einem Streit, in den Leonie stark involviert wurde. «Ich war immer loyal gegenüber meinem Vater, der zwar sehr impulsiv war, mich aber immer unterstützt hat. Meine Mutter wollte, dass ich mich für sie entscheide und mochte es nicht, dass ich ihn immer verteidigte.» Eines Tages eskalierte die Situation. Ihre Mutter habe ihr damals gesagt: "Entweder ziehst du jetzt zu mir oder du gehst in die Psychiatrie".

Krisenintervention in Liestal

Leonie kam auf die Abteilung für Essstörungen und Krisen (AEK) der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) Baselland in Liestal. In der AEK sei ihr klar geworden, dass sie nicht mehr nach Hause zurückkehren würde. Zum ersten Mal fühlte sie sich verstanden. Sie begann zu erkennen, dass sie von ihrer Mutter in eine Position gebracht worden war, die sie als Tochter nicht hätte übernehmen müssen.

«Unsere Mutter sagte zu mir und meinen Geschwistern immer wieder, dass wir uns für eine Seite entscheiden müssten – für sie oder den Vater. Sie warf mir vor, ihr gegenüber nicht loyal zu sein und bezog mich in Themen ein, mit denen ich noch nicht umgehen konnte.»

Geschützter Raum

Leonies Zustand stabilisierte sich im Laufe der neunwöchigen Behandlung, und sie begann zu lernen, für sich selbst und ihre Bedürfnisse einzustehen, selbst wenn diese gegen den Willen ihrer Mutter waren: «Die AEK war für mich eine Auffangstation. Lange war die Zeit, die ich dort verbracht hatte, die glücklichste meines Lebens.

"Heute bin ich nicht mehr dieses Mädchen, welches ich damals war", sagt Leonie. "Aber ich bin für immer dankbar für das, was die AEK mir ermöglicht hat.» Die Therapierenden hätten ihr zugehört und seien immer für sie da gewesen.

"Die AEK mit ihrem milieutherapeutischen Ansatz hat Leonie viel gebracht", bilanziert KJP-Psychologin Daniela Witschas. "Der Konflikt in der Familie setzte ihr sehr zu; hier in der AEK war sie an einem sicheren Ort, und das war das Wichtigste". Auf dieser Station lernte Leonie neue Strategien, um mit ihrer Impulsivität umzugehen. Sie wurde an Daniela Witschas überwiesen, bei der sie bis heute in Therapie ist.

Wechsel in eine Pflegefamilie

Nach dem stationären Aufenthalt in der Klinik kam Leonie Gaber in eine Pflegefamilie. "Das war ein grosser Schritt, aber es war der nächste, der nötig war", sagt Daniela Witschas. Leonie war aus ihrem alten Umfeld herausgenommen worden und musste nun beginnen, sich in ihrem «neuen Leben» zurechtzufinden. «Nach dem Austritt aus der Klinik begann die schlimmste Zeit meines Lebens» sagt Leonie

Neuer Druck auf die psychische Verfassung

Das Leben ausserhalb der geschützten Umgebung überforderte Leonie. Sie musste wieder "funktionieren", vollzeitig in die Schule gehen, und allmählich baute sich der ganze Druck von einst wieder auf. Dazu kam, dass sie sich in einer toxischen Beziehung befand und der Druck, der von ihrer Mutter aus kam, enorm anstieg. Diese war gegen die Pflegefamilie und versuchte, Leonie mit allem Mitteln da rauszuholen.

"Ich habe angefangen, mich selbst zu verletzen und wollte nicht mehr so weiterleben. Ich war zu schwach, um zu leben, aber zu stark, um zu sterben. Es war wirklich schlimm". Sie hatte Schuldgefühle ihrer Mutter gegenüber und musste lernen, dass sie keinem Elternteil irgendetwas schuldig war.

Ambulante und nochmals stationäre Therapie

Auf die AEK folgte eine ambulante Therapie bei Daniela Witschas, die bis heute anhält. Im Februar 2024 begab sich Leonie Gaber nochmals in eine stationäre Therapie, diesmal ausserhalb des Kantons Baselland. "Ich hatte damals Panikattacken und viel Stress und merkte, dass ich normale Alltagssituationen noch nicht bewältigen konnte", erinnert sie sich.

Leonie habe nochmals ein schonendes Setting benötigt, erklärt Daniela Witschas. "Diese Klinik im Kanton Zürich hatte ein spezielles Konzept für junge Erwachsene und war ideal für sie". Dabei handelte es sich dieses Mal nicht um eine Krisenintervention, sondern um einen über längere Zeit geplanten, dreimonatigen Aufenthalt auf einer Psychotherapiestation.

Auf gutem Weg

Heute trifft sich Leonie regelmässig zum Therapiegespräch mit Daniela Witschas. "Ihr Selbstwertgefühl ist besser, sie selber autonomer und ihr seelischer Zustand stabiler geworden", sagt die Psychologin. Sie habe bisher einen guten Weg zurückgelegt, der aber noch nicht zu Ende sei. "Ich habe aber Vertrauen, dass Leonie es alleine schaffen wird."

Auch Leonie ist zuversichtlich. "Mir geht es sehr viel besser heute, auch wenn ich ab und zu noch schlechte Tage habe. Aber es ist nicht mehr so wie früher. Ich habe gelernt, mich selbst zu lieben und möchte niemandem mehr den Raum geben, mir dies zu erschweren. Nicht mal mir selbst. Ich werde immer mehr zu jener Person, die ich schon immer sein wollte. Und darauf bin ich wahnsinnig stolz.»