Mit der Einführung der Diagnose „Geschlechtsinkongruenz“ im neuen Diagnosemanual ICD-11 wird die Psychopathologisierung von trans Menschen beendet. 

In der heutigen pluralisierten Welt werden individuelle geschlechtliche Selbstdefinitionen und Selbstverortungen nicht nur immer mehr möglich, sondern auch alltäglicher. Langsam beginnt sich eine Öffnung und eine Akzeptanz von Lebens- und Erlebensformen jenseits heteronormativer Vorstellungen  durchzusetzen. Diese zunehmende gesellschaftliche Anerkennung von Geschlechtervielfalt bildet sich auch im Gesundheitssystem ab.

Geschlechtsinkongruenz ist ein Zustand  

Im neuen Diagnosemanual ICD-11 beendet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Psychopathologisierung von trans Menschen, indem “Geschlechtsinkongruenz” nicht mehr, wie noch im ICD-10, als psychische Krankheit im Sinne einer „Störung der Geschlechtsidentität“ verstanden wird, sondern “als Zustandsform der sexuellen Gesundheit”. Vor diesem Hintergrund findet derzeit ein Umdenken in Richtung eines affirmativen Umgangs mit Geschlechtervielfalt statt.
 

Informativer Fachartikel

Was es mit der neuen Diagnose "Geschlechtsinkongruenz" auf sich hat und was der Paradigmenwechsel für die Beratung und Unterstützung von Behandlungssuchenden sowie deren Behandler*innen bedeutet, das geht aus dem Fachartikel "Von der Psychopathologisierung zum affirmativen Umgang mit Geschlechtervielfalt" der Schweizerischen Ärztezeitung hervor. Co-Autor*innen des Beitrages sind der Psychologe Patrick Gross, Leiter der Sprechstunde für Geschlechterfragen der Psychiatrie Baselland, und die ehemals abteilungsleitende Psychologin der PBL, Nicole Burgermeister.
 

Unterstützung Betroffener wird erleichtert

Dieser Paradigmenwechsel wirft ein neues Licht auf den Umgang mit Geschlechtervielfalt. Die Behandlungssuchenden werden nicht mehr psychopathologisiert, sondern als Expert*innen des eigenen Geschlechts wahr- und ernstgenommen. Dieser Perspektivenwechsel führt zu wichtigen Änderungen. So werden etwa die Aussagen der Behandlungssuchenden über ihre eigenen Empfindungen zu ihrem Geschlecht zentral für die Diagnostik. Auch das Denken in binären Geschlechtern wird aufgebrochen, so dass auch non-binäre Menschen freien Zugang zu Behandlungen haben.

Die Differenzierung zwischen körperlichen, psychologischen und sozialen Aspekten von Geschlecht führt zur Individualisierung in der Diagnostik, Versorgung und Behandlung von Menschen mit einer Geschlechtsinkongruenz und schafft deutliche Erleichterungen für die Behandlungssuchenden.

Multiprofessionelle Hilfe ist gefragt

Bis jetzt waren die psychiatrischen und psychologischen Fachpersonen oft die ersten Ansprechpersonen für Anliegen von Betroffenen. Dies soll sich ändern. Natürlich – und in Abhängigkeit der individuellen Situation der Behandlungssuchenden – spielen Psychiater*innen und Psycholog*innen eine wichtige Rolle im Prozess der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechtsidentität, als Unterstützung bei allfällig vorliegenden psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen (u.a. im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Stigmatisierung/Minderheiten-Stress), Begleitung von Angehörigen, etc.

Aber ebenso gefragt sind weitere Fachdisziplinen aus der Sozialwissenschaft oder der Rechtswissenschaft, da Geschlecht eben auch als soziales Konzept aufgefasst wird und zunehmend rechtliche Aspekte umfasst.

 

Der vollständige Artikel ist hier zu finden.