Psychotische Störungen bringen für Betroffene meist eine hohe Krankheitslast mit sich. Um mit indizierten präventiven Interventionen einem Übergang in eine manifeste Psychose entgegenzuwirken, lohnt es sich, möglichst früh das Risiko für eine Psychose zu erfassen.

Die Lebensprävalenz von psychotischen Störungen ist im Vergleich zu Angststörungen oder Depressionen eher gering, jedoch sind die Auswirkungen auf die Lebensqualität meist sehr einschneidend (Meisenzahl et al., 2020). In der Forschung wächst der Fokus auf die Früherkennung und Prävention mit dem Ziel, möglichst früh und gezielt Unterstützungsmöglichkeiten anzubieten. Dadurch soll einer Transition in eine manifeste Psychose und einem chronischen Verlauf von psychosozialen Funktionseinbussen entgegengewirkt werden (Schultze-Lutter et al., 2015, Schmidt et al., 2015). .

Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Psychiatrie (EPA)

Die European Psychiatric Association (EPA) empfiehlt, in der Risikoeinschätzung spezifische Basissymptome zu erfassen. Basissymptome umfassen ungewöhnliche Veränderungen in den Denkprozessen, in der Wahrnehmung und der Sprache, welche von Betroffenen selbst wahrgenommen und als eigenes Defizit erkannt werden, wie zum Beispiel die Interferenz emotional neutraler Gedanken, Störungen in der expressiven Sprache oder Störung der Symbolerfassung (Schultze-Lutter et al., 2015, Klosterkötter & Müller 2017).

Im letzten Jahr neu aufgetretene oder intensivierte attenuierte psychotische Symptome (APS), bei denen die Distanzierungsfähigkeit gegenüber dem Erleben weiterhin gegeben ist, sowie in den letzten drei Monaten neu aufgetretene kurzzeitige, bereits manifeste psychotische Symptome, die nicht desorganisierend oder gefährlich sind (BLIPS) sollten ebenfalls erfasst werden (Schultze-Lutter et al., 2015).

Screening mittels Fragebogen – PQ-16

Erste Hinweise auf das Vorliegen solcher Symptome kann der Screeningfragebogen Prodromal Questionnaire PQ-16 (Ising et al., 2012) geben. Der Selbstbeurteilungsfragebogen umfasst 16 Fragen, wie zum Beispiel folgende:

  • „Manchmal bin ich verunsichert, ob etwas, das ich erlebe, real oder eingebildet ist"
  • „Ich erkenne manchmal spezielle Bedeutungen in Werbungen, Schaufenstern, oder in der Anordnung von Dingen um mich herum“
  • „Ich habe oftmals das Gefühl, dass andere etwas gegen mich haben“

Diese Fragen können jeweils als zutreffend („richtig“) oder nichtzutreffend („falsch“) bewertet werden, zudem kann mit ihnen das Ausmass an Leidensdruck („keinen“, „wenig“, „moderat“, „viel“) erfasst werden. Entsteht der Verdacht auf das Vorliegen eines erhöhten Risikos, ist eine ausführliche Erhebung der Symptome indiziert.

Sprechstunde zur Früherkennung von Psychosen in Liestal

Die Psychiatrie Baselland bietet im Rahmen ihrer Früherkennungssprechstunde für Psychosen in Liestal eine ausführliche Diagnostik, Orientierung und Unterstützung im Umgang mit entsprechenden Symptomen an. Das Angebot der Sprechstunde richtet sich an Personen im Alter von 18 bis 35 Jahren mit guten Deutschkenntnissen, bei welchen keine schizophreniforme oder wahnhafte Störung in der Anamnese bekannt ist.

Zudem sollten organische Faktoren für die Beschwerden, eine aktuelle Substanzabhängigkeit nach ICD-10 (Ausnahme: Nikotin) und eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung ausgeschlossen sein. Nebst Diagnostik wird auch eine regelmässige Verlaufskontrolle, eine Aufklärung über die Grundlage der Symptome, sowie die Erarbeitung von individuellen Lösungsansätzen in der Sprechstunde angeboten. Bei Bedarf werden die Betroffenen bei der Suche nach geeigneten weiterführenden psychiatrisch-psychotherapeutischen Angeboten unterstützt.

Weiterführende Literatur

Ising, H. K., Veling, W., Loewy, R. L., Rietveld, M. W., Rietdijk, J., Dragt, S., Klaassen, R. M., Nieman, D. H., Wunderink, L., Linszen, D. H., & van der Gaag, M. (2012). The validity of the 16-item version of the Prodromal Questionnaire (PQ-16) to screen for ultra high risk of developing psychosis in the general help-seeking population. Schizophrenia bulletin38(6), 1288–1296. https://doi.org/10.1093/schbul/sbs068

Klosterkötter, J. & Müller, H. (2017). Prävention schizophrener und anderer psychotischer Störungen. In J. Klosterkötter, & W. Maier (Hrsg.), Handbuch Präventive Psychiatrie, (S.227-283). Schattauer.

Schmidt, S. J., Schultze-Lutter, F., Schimmelmann, B. G., Maric, N. P., Salokangas, R. K., Riecher-Rössler, A., van der Gaag, M., Meneghelli, A., Nordentoft, M., Marshall, M., Morrison, A., Raballo, A., Klosterkötter, J., & Ruhrmann, S. (2015). EPA guidance on the early intervention in clinical high risk states of psychoses. European psychiatry : the journal of the Association of European Psychiatrists30(3), 388–404. https://doi.org/10.1016/j.eurpsy.2015.01.013

Schultze-Lutter, F., Michel, C., Schmidt, S. J., Schimmelmann, B. G., Maric, N. P., Salokangas, R. K., Riecher-Rössler, A., van der Gaag, M., Nordentoft, M., Raballo, A., Meneghelli, A., Marshall, M., Morrison, A., Ruhrmann, S., & Klosterkötter, J. (2015). EPA guidance on the early detection of clinical high risk states of psychoses. European psychiatry : the journal of the Association of European Psychiatrists30(3), 405–416. https://doi.org/10.1016/j.eurpsy.2015.01.010