Stabilisierende Beziehungen zwischen Patientinnen und Patienten sowie Therapierenden sind entscheidend in der psychotherapeutischen Behandlung und Diagnostik. Was es dazu braucht, wird in einem neuen Buch praxisnah beschrieben.  

Die therapeutische Beziehung ist in der Psychiatrie und Psychotherapie nicht nur die Grundlage für eine Behandlung, sondern selbst das Mittel. Dies gilt nicht nur für die Behandlung, sondern bereits für diagnostische Prozesse.

Denn in der Art und Weise der Beziehungsaufnahme und Beziehungsgestaltung werden Beziehungserfahrungen, -fantasien und -erwartungen erkennbar. Sie prägen als Beziehungsrepräsentationen und geronnene Beziehungsmuster die innere Struktur einer Persönlichkeit. Damit beeinflussen sie deren Wahrnehmen, Empfinden, Fühlen, Denken und Handeln und damit auch deren Leiden.
 

Innerer und äusserer Druck für eine Therapie

Der Anfang beginnt zumeist mit einem Scheitern: Wenn sich Menschen freiwillig oder unfreiwillig in einer psychiatrischen Institution behandeln lassen oder in einer psychiatrischen Praxis, sehen sie sich dazu gezwungen, weil sie selbst oder andere mit ihnen nicht mehr weiterwissen und sie auffordern, drängen oder gar zwingen.

Sie kommen als Verunsicherte, nicht selten als Gescheiterte, die nicht mehr zurechtkommen mit Konflikten, die sie in sich tragen. Sie leiden an Beziehungsabbrüchen, an Ängsten, die sie hindern und einschränken; sie kämpfen mit Verunsicherungen, die aus dem "Verlust einer natürlichen Selbstverständlichkeit" (Blankenburg 1967/2012) entstehen, oder sie ringen mit Gefühlen der Sinnlosigkeit, die sie des Lebens überdrüssig werden lassen. Sie kommen als Leidende, als Individuen mit Symptomen.
 

Leidende als "Philosophen wider Willen"

In einem solchen Prozess passiert etwas Besonderes: Als Subjekte des Leidens wenden sich diese Menschen an uns und werden zu Subjekten des Sprechens, die sich mit Fragen an uns richten: "Was habe ich?", "Was stimmt nicht mit mir?", "Was hat das zu bedeuten?" (Kläui 2008). Diese Wendung macht sie in gewisser Weise zu "Philosophen wider Willen" (Holzhey-Kunz 2014), indem am Anfang nicht mehr allein das Leiden, sondern ein existenzielles Fragen steht.

Grundlage für das Buch

Die Hinwendung der Betroffenen an andere und die in der Gestaltung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Beziehung erfolgende Zuwendung hat also das Potenzial, dass sich etwas wenden kann. Diese schlichte Überlegung war die Grundlage für den Aufbau des Buches. Dieser folgt dem therapeutischen Prozess einer Behandlung mit den Aspekten Erstkontakt, Beziehungsaufnahme, Behandlungsrahmen und Vertrauensaufbau.

Inhalte des Buches

Thematisiert werden – unter anderen - Fragen der Symmetrie und Asymmetrie in therapeutischen Beziehungen, Herausforderungen durch Rupturen und drohende Therapieabbrüche, Umgang mit Schweigen in therapeutischen Sitzungen, Idealisierungen, Sexualisierungen, Belastungen durch Suizidalität, durch Misstrauen oder Lügen und Täuschungen.

Mit den Themen von Abschluss und Beendigung kommen schliesslich auch grundlegende Aspekte der Zeit und der subjektiven Zeiterfahrung zur Sprache.

Beziehungsgestaltung in psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungen

Der Psychiater und Philosoph Daniel Sollberger von der Psychiatrie Baselland stellt in seinem neuen Buch theoretische Konzepte der therapeutischen Interaktion vor: Handlungsdialog, Enactment, Übertragung und Gegenübertragung sowie Holding und Containing. Entlang des Therapieprozesses werden auch schwierige Situationen wie Therapieabbrüche, Schweigen und Sexualisierung der Therapie thematisiert.

Das Buch hilft, Unsicherheit im therapeutischen Handeln zu reduzieren und sich nicht mehr in destruktiven Beziehungsdynamiken zu verfangen. Es fördert den selbstsicheren, aber auch den selbstkritischen Blick, um durch Reflexion die eigenen therapeutischen Fähigkeiten zu stärken. Quelle: Psychiatrie Verlag GmbH, Köln

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