Die Psychiatrie Baselland erweitert ihr Angebot an Spezialsprechstunden im Bereich der Identitäts- und Beziehungsstörungen. Geplant sind eine umfassende Diagnostik und Beratung sowie spezifische Therapieangebote, wie etwa psychodynamisch-interaktionelle Gruppentherapie.

Die Persönlichkeitsstörungen bilden eine grosse, heterogene Diagnosegruppe, die in den bisherigen Diagnosemanualen kategorial benannt und klassifiziert sind; so etwa als paranoide, ängstlich-vermeidende oder Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Die Revision des von der American Psychiatric Association 2013 herausgegebenen Diagnosemanuals DSM-5 sowie die aktuelle Überarbeitung der von der Weltgesundheitsorganisation publizierten ICD-Klassifikation trägt der unzureichend aussagekräftigen Einteilung Rechnung – im DSM zumindest in einem Anhang. Neu soll der Kern dieser Störungsbilder, eine graduelle Beeinträchtigung des Selbst (Identität) und der Beziehungsregulationsfähigkeit, ins Zentrum gerückt werden.

Spektrum von Persönlichkeitsdimensionen

Die vorliegenden Beeinträchtigungen werden neu in einem Spektrum von Persönlichkeitsdimensionen verortet, welche zunächst die grundlegenden Funktionen des Selbst und der Interpersonalität betreffen: Probleme der Identität und des Selbstwerts und Schwierigkeiten in der Zielorientierung auf der einen Seite, Probleme in der interpersonellen Beziehungsregulation (Empathiefähigkeit und Fähigkeit zur Intimität) auf der anderen Seite.

Beurteilung von Persönlichkeitsmerkmalen

Erst in einem zweiten Schritt werden dann spezifische und unterschiedlich ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale beurteilt, wie hohe negative Affektivität, Distanziertheit, Enthemmtheit, Zwanghaftigkeit sowie Dissozialität. Diese Zugangsweise zu Schwierigkeiten der Persönlichkeit führen letztlich zu einem individuellen Krankheitsbild und -erleben.

Neue Angebote für Diagnose und Therapie

Diese Entwicklung zu einem dimensionalen Diagnose- und Klassifikationsansatz hat zur Folge, dass – neben der Beschreibung einer psychopathologischen Symptomatik – auch psychodynamische Überlegungen und entsprechende diagnostische Instrumente im Diagnoseprozess und für die Therapien an Bedeutung gewinnen. Heute gibt es spezialisierte und evidenzbasierte Therapieverfahren, die sehr wirksam sind bei Störungsbildern, die bis vor 30 Jahren als kaum behandelbar galten.

Vor diesem Hintergrund soll in Zukunft die Funktionsbeeinträchtigung des Selbst und der interpersonellen Beziehungsgestaltung im Fokus der diagnostischen Abklärung und der Therapiekonzeption stehen. Neben Einzeltherapien können Menschen, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden, besonders gut von einem psychodynamisch-interaktionellen gruppentherapeutischen Ansatz profitieren.

Diese Form der Gruppentherapie begegnet dem Kernproblem der defizitären Selbst- und Beziehungsregulation auf direkt erfahrbare Weise, indem sie einen geschützten Raum für neue Erfahrungen im Denken, Fühlen und Handeln in einem lebendigen Beziehungsgefüge bietet.

Einbezug des individuellen Umfeldes wichtig

Auch bereits bestehende Beziehungen im familiären, häuslichen oder arbeitsbezogenen Kontext sind häufig von solchen Schwierigkeiten überschattet. Um die psychosozialen Auswirkungen sowie die Einbussen in der Lebensqualität von Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung so gering wie möglich zu halten, ist der Einbezug des individuellen Umfeldes dringend geraten.

Psychiatrie Baselland

Mit dem Auf- und Ausbau der Sprechstunde für Menschen mit Identitäts- und Beziehungsstörungen richtet die Psychiatrie Baselland (PBL) ihre Angebote verstärkt auf diese Entwicklungen und die daraus abgeleiteten Implikationen für Diagnostik und Therapie aus. Neben dem Kernbereich Persönlichkeitsstörungen soll diese weitere, sich thematisch angliedernde Spezialsprechstunden vereinen. Geplant sind eine ambulante Sprechstunde für Essstörungen, der Ausbau der Sprechstunde für ADHS im Erwachsenenalter und neu eine Sprechstunde für Geschlechtervarianz.

Der Sprechstunden-Gedanke spiegelt den dimensionalen Ansatz von Spektrumsstörungen auch dahingehend wieder, dass spezifische Störungsbilder, wie beispielsweise die Essstörungen vor dem Hintergrund des Grossen und Ganzen, der Persönlichkeitsorganisation also verstanden und eingeordnet werden. Die differentialdiagnostischen Abklärungen bestimmen dann massgeblich die Behandlungsindikation und ein weiteres therapeutisches Vorgehen.

Leistungen in der Sprechstunden

Die PBL bietet in den Spezialsprechstunden spezifische Abklärung, Beratung und Therapie für Patientinnen und Patienten mit Identitätsstörungen, interpersonellen Problemen wie Bindungsstörungen, Beziehungsschwierigkeiten oder Schwierigkeiten im Beruf, mit Essstörungen, ADHS oder mit psychischen Problemen aufgrund ihrer Transidentität.

Die Sprechstunden sollen an den Standorten Münchenstein, Liestal und im neuen Zentrum für psychische Gesundheit Binningen (Eröffnung im Januar 2021) etabliert werden.